Marathon

Lange nicht mehr hat mich eine Band so dermaßen aus den Schuhen gehauen, wie Marathon. Zuletzt durfte ich sie binnen weniger Wochen drei Mal live sehen, nein, erleben – und jedes Mal bin ich weggeflogen, komplett berauscht gefangen worden, war anschließend wie beseelt. Sie transportieren eine unmittelbare Wucht und eine Dynamik, wie sie derzeit ihres gleichen sucht.

Sehr gut auf den Punkt bringt das der Ankündigungstext ihrer beiden Auftritte beim diesjährigen Reeperbahnfestival: „Als Marathon 2023 mit ihrer gleichnamigen Debüt-EP auf der Bildfläche des mittlerweile reich verzierten Post-Punk-Revivals auftauchten, war das Trio alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Im Underground Amsterdams streiften Kay Koopmans, Lennart van Hulst und Nina Lijzenga schon seit ein paar Jahren umher, spielten Gigs, sammelten Augenringe, atmeten Qualm. Wie es sich eben in den neuen Zwanzigern gehört. Zwar raunt durch ihren Stilbastard aus Post-Punk, Shoegaze und Indie ein düsterer Tenor, doch werden die Oden an postmoderne Frustrationsmomente immer wieder in hoffnungsvolle Gelegenheiten des Aufbruchs umgemünzt. Die Dualität von Licht und Dunkel macht die ganz große Stärke des Marathon-Sounds aus, der aufs geschundene Heute fokussiert, aber zugleich einen Blick und ein wohlwollendes Nicken gen Zukunft wirft. Großes Kino für Fans von Whispering Sons, Gilla Band oder Sweeping Promises.“

Beim diesjährigen ESNS-Noorderslag Festival waren sie „talk oft he town“, der heiße Scheiß, der „musst-du-sehen!“-Tipp. Völlig zu Recht. In Windeseile haben sie sich einen beeindruckenden Live-Ruf erspielt, Sowohl KINK als auch 3voor12 bezeichneten die Band als eines der Talente des Jahres 2023. Berstend vor Energie ist die live als Quintett auftretende Band in der Lage, noisy Shoegaze und explosiven Post-Punk zu einem befreienden, kathartischen Erlebnis zu kombinieren. Als würden die IDLES ihre Songs bei The Haunted Youth leihen oder The Holy mit den Gurriers gemeinsame Sache machen. Das ist nicht weniger als grandios, mitreißend und atemberaubend.

Die Musik von Marathon ist eine leidenschaftliche Antwort auf die Beklemmungen, die das krisengeschüttelte einundzwanzigste Jahrhundert uns abverlangt, sie geben Ängsten, Wut und Befreiung eine musikalische Stimme, die fiebrige Energie, die sie transportieren, lassen sie mal in ungestümem Vorwärtsdrang, mal in fordernder Dissonanz kulminieren. Das ist gleichzeitig roh und ausgefeilt, vielschichtig und laut. Marathon machen das Unbequeme erträglich. Nach Marathon ist nichts mehr so, wie es vorher war. Zumindest für ein paar gute Augenblicke, von denen man sich wünscht, dass sie ewig anhalten mögen. (Foto: Jùnn)

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Hintergrund-Foto: Lucja Romanowska

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