Wenn ich, wie das Clash-Magazine, behaupten würde, dass Divorce „überschwänglichen, aufrichtigen Indie-Rock“ spielt, würden sich die Fans der reinen Indie-Rock-Lehre vermutlich wundern. Ich müsste es kontern mit einem weiteren Zitat: „Genre-vermischend, eine süße Mischung aus Country und Indie-Folk“ (So Young). Ja was denn nun? Ganz klar: beides. Sie selbst behaupteten mal von sich, sie klängen wie „Wilco meets Abba“. Das zeigt, dass sie Humor haben, aber es ist was Wahres dran. Adam Peter Smith, ihr Gitarrist, sagte über den Divorce-Sound: „Es ist, als ob man sich zum Ausgehen herausputzt, sich wie eine Million Dollar fühlt – und dann einen Grashügel hinunterrollt“.
Seit 2021 kreieren sie den ihnen eigenen Stilmix aus „Indie-Rock, Alt-Country und raffinierten Pop-Nuancen mit Texten, denen es weder an pointiertem Tiefgang noch an thematischer Vielfalt mangelt.“ (RBF). Ihre Songs, geschrieben und gesungen von Tiger Cohen-Towell und Felix Mackenzie-Barrow, sind wahrlich überragend – hört nur mal „My Room“, „Antarctica“ oder „All My Freaks“. Thematisch sind sie meistens angesiedelt an den Schnittstellen, die Kunst interessant machen: wenn aus Introspektion durch gute Geschichten Allgemeingültiges entsteht. Wenn Unsicherheit und Ungewissheit zu Mut und Handeln anstacheln, als gäbe es ein Morgen. Wenn Grübeln zu Aufbegehren wird. Wenn man selbst sich als Teil einer Gesellschaft versteht, in der es Positionierung braucht, um nicht im Einerlei gefühlsduseliger Kalenderblatt-Sprüche unterzugehen. Wenn man gleichzeitig weiß, dass mangelnde Selbstachtung, Zweifel oder die Bewusstwerdung, nicht binär zu sein, Auslöser sein können dem Bösen und den Unverständigen mit Selbstbewusstsein, mit Humor und Chuzpe zu begegnen.
„Ein Großteil unserer Kunst spiegelt wider, wie repetitiv und erbärmlich der menschliche Zustand sein kann und wie unsere Emotionen fast alles diktieren, was wir tun, obwohl sie die meiste Zeit ziemlich dumm und simpel sind“ sagt Tiger, „ich finde das ziemlich witzig“. Live sind Divorce überraschend spritzig, charming, und extrovertierter als erwartet. Die Kolleg*innen vom Weinturm Festival brachten es auf den Punkt: „Divorce (…) schreiben Songs, die strahlen. Vor allem durch den wunderbaren mehrstimmigen Gesang. Kleine Kunstwerke, durchdrungen von nostalgischem Americana-Folk, Indie Rock, unvorhergesehenen Blues-Riffs und sarkastischem britischen Humor. Der Country-Chamber-Pop des Quartetts leuchtet! Was für eine Dringlichkeit. Was für Harmonien. Was für eine Live-Band! Möget ihr bis in alle Ewigkeit miteinander musizieren.“
Foto: Flower Up & Rosie Sco