Es ist monströs traurig, und wir sind untröstlich. Aber es geht nicht anders, das OBS 24 muss erneut verlegt werden. Wir haben gekämpft und gebangt, gehofft und gezweifelt, haben Hygienekonzepte verfasst und uns in Online-Workshops fortgebildet, haben Verbandsarbeit betrieben und versucht, die politisch Entscheidenden auf Fehleinschätzungen und Möglichkeiten hinzuweisen – auch nach intensiver Abwägung aller  Alternativen müssen wir nun aber einsehen, dass es keine Chance mehr gibt, in diesem Jahr ein OBS zu veranstalten.

Einerseits hat das mit den zu erwartenden Gefährdungen zu tun, mit eurem und unserem Schutz. Es würde sich trotz eines ausgeklügelten Hygiene- und Infektionsschutzkonzeptes für viele immer noch falsch anfühlen, Ende August auf Gedeih und Verderb ein Festival mit 4.000 Menschen durchzuführen. Wir wollen ein möglichst unbeschwertes Erlebnis bieten, wollen Genuss ohne Reue. Das Leben ist allerdings kein Wunschkonzert – schon gar nicht derzeit.  

Andererseits müssen wir uns der CoronaSchutzverordnung NRW beugen, die Musikfestivals in der Inzidenzstufe 1 erst ab dem 27.08. erlaubt und mit einer Teilnehmenden-Obergrenze von maximal 1.000 Personen. Die in der vergangenen Woche von NRW Gesundheitsminister Laumann vorgestellte Öffnungsoffensive birgt scheinbar den Wegfall vieler Einschränkungen. für Großveranstaltungen und Festivals. Das ist erstmal gut, denn die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Großveranstaltungen wurde entschärft. Aber: Da nun überall zu lesen ist „Großveranstaltungen dürfen stattfinden“, „Am Freitag öffnen die Clubs!“ etc. ist es schwer verständlich zu machen, dass und warum nun nicht alles einfach so wieder ganz selbstverständlich ohne Einschränkungen stattfinden kann.

Denn der Teufel liegt im Detail. Es wurde in NRW eine neue „Inzidenzstufe 0“ eingeführt, die eine stabile 7-Tages-Inzidenz < 10 bedeutet. In dieser wäre das OBS augenscheinlich möglich (mit 3G-Nachweis). Ob wir Ende August allerdings fest mit einer stabilen Inzidenz von < 10 rechnen können – und das sowohl im Kreis Höxter als auch im Land NRW – steht in den Sternen.

Das Risiko ist sehr hoch, dass uns die Durchführung der Veranstaltung kurzfristig um die Ohren fliegt, sollte sich die 7-Tages-Inzidenz ein oder zwei Wochen vor der Veranstaltung auf über 10 erhöhen. Denn in Inzidenzstufe 1 ist die Durchführung des OBS wegen der Deckelung auf 1.000 Besuchende und dem dann frühesten Durchführungs-Termin 27.08. nicht möglich.

Eine solch kurzfristige Absage wäre dann wirklich ein existentielles Problem, denn viele der Produktionskosten würden entstehen, die man bei einer weiter im Vorfeld terminierten Verlegung/Absage des Festivals noch vermeiden könnte: Personal, Gagen, Hotelübernachtungen, Catering-Verträge, Technik, diverse Dienstleistungen, pi, pa, po. Zum Erlösausfall und zu den ohnehin anfallenden Kosten käme daher ein riesiger Batzen hinzu. Und dann noch die Pointe, dass der seit Herbst 2020 angekündigte und erst am 15. Juni 2021 in Kraft getretene „Sonderfonds Kulturveranstaltungen“ (2,5 Milliarden Euro schwer!) des Bundesfinanzministeriums 80% der Ausfallkosten für Veranstaltungen mit über 2.000 Personen übernimmt – allerdings lediglich für Veranstaltungen, die ab 01. September 2021 geplant sind.

Eine völlig willkürlich gezogene terminliche Grenze, die nichts mit der Veranstaltungswirklichkeit zu tun hat – die Mehrzahl der Festivals findet nun mal vor September statt. Außerdem hieß es ursprünglich aus dem Bundesfinanzministerium, die Ausfallabsicherung gelte „für Veranstaltungen ab 01. Juni 2021“. Während ohnehin öffentlich subventionierte Tempel der Hochkultur den Rahm des Förderprogramms abschöpfen, pfeifen die Veranstaltenden von Festivals aus dem letzten Loch.

Kurzum: Das OBS guckt in die Röhre.

Ich habe viele schlaflose Nächte verbracht – und um eine so weitreichende Entscheidung nicht lediglich aus dem Bauch heraus treffen zu müssen, habe ich mich fast pausenlos mit Epidemiologen, mit dem Hausärzteverband Westfalen-Lippe, den lokalen Genehmigungsbehörden, Veranstalterverbänden und  anderen Veranstaltenden ausgetauscht.  Einhellig vorherrschende Meinung: die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Inzidenzstufe  0 gegen Ende August nicht zu schaffen sein wird, dass das vorherige Ende der Sommerferien in gleich sechs Bundesländern sowie die derzeitigen Öffnungen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen die Delta-Infektionsraten befeuern werden, dass der noch nicht weit genug reichende Impffortschritt gegen eine Durchführung spricht, dass all das dazu führen wird, dass der Grenzwert der Inzidenzstufe 0 gerissen werden wird. Sprich: dass das Risiko für das OBS einfach zu groß ist und daher mutmaßlich keine Chance besteht, das OBS vom 20.-22. August durchzuführen.

 

Entsprechend schwillt mir angesichts der Bilder und der Auswirkungen der Fußball-EM der Kamm. Auch der föderale Flickenteppich und willkürlich entscheidende Landesfürsten machen mich wahnsinnig. Läge das Festivalgelände des OBS z.B. etwa 400 Meter weiter östlich, jenseits der Weser, in Niedersachsen, so gäbe es zumindest u.U. die Chance, es als wissenschaftlich begleitetes Pilotprojekt durchzuführen. Nicht so in NRW.

Wir hatten im vergangenen Jahr eine Kund:innen-freundliche Lösung erdacht, indem die Karten bei jeder Verlegung ihre Gültigkeit behielten. Damit haben wir uns allerdings selbst der Möglichkeit beraubt, das OBS in einem eventuell kleineren, pandemiegerechten Rahmen zu feiern. Denn von den 3.500 verkauften Tickets habt ihr bisher lediglich 42 Stück zurückgegeben, großenteils unter Verzicht auf Rückzahlung. Das OBS 24 blieb also nach wie vor ausverkauft. Das ist ein riesiger Loyalitätsbeweis und macht uns nach wie vor sprachlos und stolz. Aber wir können nun mal in der derzeitigen Verordnungslage keine 3458 Personen auf das Gelände lassen.

Das bedeutet, dass wir das Ruder herumreißen müssen: Die Karten für das OBS 24 werden für das OBS 24.1 nicht gültig bleiben. Nur so können wir gewährleisten, dass wir im nächsten Jahr ein OBS veranstalten können, selbst wenn eventuell der Pandemie geschuldete Maßnahmen die Teilnehmendenzahl deutlich beschränken sollten. Der Vorverkauf für das OBS 24.1, das wie gewohnt zum Pfingstwochenende stattfinden soll, wird daher auch so spät wie möglich erfolgen, vermutlich nicht vor Februar 2022. Hoffentlich ist dann deutlicher, in welcher Größenordnung unser aller Lieblingsfestival stattfinden kann, sodass wir die Anzahl der in den Verkauf gehenden Tickets entsprechend anpassen können.

Die letztjährige Absage des OBS hat bereits wehgetan. Wir fielen in ein finanzielles, vor allem aber in ein emotionales Loch, schöpften aber mit jedem neuen Verlegungstermin neuen Mut. Bei jedem der Verlegungstermine geht die gesamte Produktion wieder bei Null los, man arbeitet stets in ein neues Vakuum hinein, es ist ein ermüdender und zehrender Kampf gegen Windmühlenflügel. Wir haben unsere verbliebene Energie eingebracht, um mit euch in diesem Jahr wieder das OBS feiern zu können – und müssen nun trotzdem die Segel streichen.
Im letzten Jahr war ich noch sehr sicher, dass wir 2021 ein unbeschwertes OBS würden begehen können. Jetzt hoffen wir auf Pfingsten 2022 und dass es dann da hinten wirklich hell wird.

Es fällt uns nach wie vor schwer, um Hilfe zu bitten oder um Almosen zu betteln. Aber es ist augenfällig, dass die Zukunft des OBS gefährdeter denn je ist. Im vergangenen Jahr habt ihr uns durch eure vielfältige Unterstützung über Wasser gehalten. Die Retter-Merchandising-Aktion war ein riesiger Erfolg, die Crowdfunding-Versteigerungen halfen ebenso wie die Soli-Tickets für die „Duck The Virus“-Streams. Euer Zuspruch, ob nun finanziell oder emotional, jedes liebe Wort, jede aufbauende Nachricht hat uns getragen und geholfen.

Jetzt stehen wir vor einem erneuten Wegbrechen des Festival-Jahresumsatzes. Und wir benötigen erneut eure Hilfe, damit das OBS durchhalten kann. Das OBS ist nicht lediglich unser, sondern unser aller Festival, es ist uns und – so hoffen wir – auch vielen von euch ein Herzensprojekt. Ohne euren Support wäre das OBS nicht das, was es ist. Ohne euren Support wird das OBS allerdings unter Umständen nicht bleiben können. Wir legen den Fortbestand des OBS hoffnungsvoll in eure Hände.
Wir hoffen, dass 2022 alles anders ist, dass wir 2022 zusammen den schönsten Ort der Welt und die schönste Zeit seit langem feiern.
Wenn genügend Ticketinhaber:innen ihr Ticket behalten oder spenden, wenn die komplett neu aufgelegte  OBS-Merchandising-Kollektion wieder so reißenden Absatz bei euch findet, wenn ihr uns weiter durch euer Solidarität unterstützt, können wir gemeinsam von der Zukunft des OBS träumen. Wie ihr euer Ticket umtauschen könnt, wie ihr euch dafür ein Vorkaufsrecht sichern könnt, wie dadurch ein glücklicher Mensch lebenslangen Gratis-Zutritt zum OBS gewinnen kann und was sich hinter der neuen OBS Soli-Merchandising-Kollektion verbirgt, erfahrt ihr in den kommenden Tagen hier, auf Facebook und auf Instagram.
Wir möchten uns schon jetzt für eure Unterstützung von ganzem Herzen bedanken. DANKE!

Ein weiteres Jahr ohne OBS. Eine grausame Vorstellung. Denn es müsste immer Musik da sein. Aber die Musik fehlt. Und ja, scheiße, ihr fehlt.
Bleibt gesund und haltet durch, kümmert euch um euch und um andere und: leave no one behind.

Rembert und die OBS-Crew