Projekt Beschreibung
MUFF POTTER
Nach der Bandauflösung 2009 ist die überraschend angekündigte Muff Potter – Reunion-Tour Anfang 2019 ein Erfolg, den sich weder die Fans, noch die Bandmitglieder selbst so hätten ausmalen können: Alle Konzerte ausverkauft, einige in größere Venues verlegt, erneut ausverkauft. Erstaunlich viele Menschen im Publikum, deren Geburtsjahr in etwa dem Muff Potter-Gründungsjahr 1993 entsprechen könnte. Ausgerechnet während der neun Jahre ihres Nichtbestehens reiften Muff Potter zu einer Referenz in der Indieszene, auf die sich heute etliche jüngere Bands berufen.
Es gab keine Interviews, keine aktiven Social-Media-Kanäle, keine neue Musik, aber offenbar eine große Muff-Potter-Sehnsucht da draußen. Auch bei den Musikern selbst, das wurde jetzt immer klarer. Ebenso klar war ihnen allerdings, dass ihnen Muff Potter zu wichtig ist, um »ewig die Nostalgiekuh zu melken«, wie Sänger, Gitarrist und Texter Thorsten Nagelschmidt sagt. Wenn diese Geschichte wirklich weitergehen sollte, brauchten sie einen echten Grund. Idealerweise einen künstlerischen. Die alles entscheidende Frage: Wie kann man als Band, die neun Jahre nicht existiert hat, überhaupt sinnvoll weitermachen? »Ich wollte auf keinen Fall so tun, als würden wir irgendwo nahtlos anknüpfen«, sagt Nagel.
Es ging also darum, die vergangene Zeit auf eine Weise sicht- und hörbar zu machen, dass dabei trotzdem frische, aufregende Musik herauskommt. Im Hier und Jetzt gültig, aber eben doch: laut und physisch.
2022 erschien dann »Bei aller Liebe« – Muff Potter hatten sich selbst und ihre Liebe zur Musik wiederentdeckt. Mit Emphase, Dringlichkeit und bissiger Zeitgeist-Diagnostik gelingt ihnen eine überzeugende Neupositionierung.
Immer wieder geht es um musikalische und inhaltliche Opposition zu Selbstoptimierung und Vereinzelung. Das ist – jawohl – Rockmusik, die auf wundersame Weise gleichzeitig komplex und hochmemorabel ist.
Permanent passiert hier etwas, es gibt unzählige wunderbare Details zu entdecken.
Aus alten Fragestellungen und neuen Antworten haben Muff Potter die vielleicht aufregendste, vielstimmigste Musik ihrer Karriere destilliert, haben einen neuen Raum für sich und andere gefunden. Ein Raum, in dem die Möglichkeiten unendlich erscheinen. Jenseits von jedem und offen für alle.
(Foto: Bastian Bochinski)