King Hannah

Seufz! Als nach vielen vergeblichen Versuchen, King Hannah für das OBS zu buchen, endlich die Zusage kam, musste ich erst mal… seufzen. Endlich! Denn wie für unsere Bühne geschaffen ist die Band aus Liverpool, die stoisch düstere Figuren und eine samtene Schwere mit atemnehmender Leichtigkeit auflösen kann. Seit ihrer ersten EP begeistere ich mich für jeden Ton, den sie der Welt schenken. Mit einer nonchalanten Coolness gesegnet, wie sie Mazzy Star oder Lana Del Rey ausstrahl(t)en, aber auch mit einem großen Herz für den sporadischen, verzerrten Ausbruch, wie ihn Neil Young oder PJ Harvey nicht lebendiger darstellen könnten, sind King Hannah in den letzten Jahren zu einem Phänomen gewachsen.

Egal ob auf kleinen Bühnen oder auf großen, ihre Musik fängt ein, betört, ist einerseits spröde und andererseits so bildhaft, dass alle, die sich ihr aussetzen, sich in sepiafarbenen Landschaften wiederfinden, die mindestens in Cinemascope aufgenommen wurden und so verraucht wie verrucht klingen. Sie haben diese bildgebende filmische Qualität, diese zurückhaltende Grandezza verinnerlicht – um plötzlich in rauschhafte Elementargewalt abzudriften. King Hannah-Konzerte sind ein Fest der Sinne.

Das Liverpooler Indie-Rock-Duo, bestehend aus Hannah Merrick und Craig Whittle, live als Quartett unterwegs, reflektiert dunkle Geschichten. Das Leben an sich ist ebenso ihre Projektionsfläche wie einzelne kurze Momente, nebensächlich Wahrgenommenes. Und wieder: Schwere und Leichtigkeit. Dieses Gleichgewicht ist für Hannah und Craig wichtig, ob auf ihren ersten Eps, auf ihrem Debütalbum „I’m Not Sorry, I Was Just Being Me“ oder auf ihrem aktuellen Album „Big Swimmer“ – wenn man so will bewahrt die Dichotomie vor Dystopie. „Ihre Dunkelheit wird durch den Humor von Merrick aufgelockert, der düsteren Themen heitere Züge verleiht“, hat Stereogum erkannt.

Die unaufgeregte Machart ihres sehnsuchtsvollen Vortrags kann Wärme in Merricks manchmal stachelige Erzählungen bringen. Und wenn man sich dann gerade hypnotisiert fallen lässt wie in eine ruhige Passage eines David Lynch-Films, rauscht Merrick plötzlich mit einer überraschenden, frenetischen, Katharsis versprechenden Gitarren-Attacke heran, die davor bewahrt, dass man es sich zu gemütlich einrichtet in der eigenen Vorstellungskraft. Am 11.08.2024 sah ich King Hannah auf einer großen Bühne, beim Haldern-Pop Festival.

Während des Konzertes schrieb ich euphorisiert meinem alten Kumpel Christof Ellinghaus, Boss von King Hannah’s Label City Slang, auf whatsapp: „Alter, ich liebe die ja ohnehin, aber King Hannah sind wirklich the shit. Grandios.“ Christof: „Ja? Hat auch auf der großen Bühne funktioniert?“ Ich: „Oh ja, hat sogar sehr gut funktioniert.“ Am 05.09. schreibt Christof: „Die sind gerade hier in Berlin. Und ehrlich gesagt, klangen die schon immer wie Come? Codeine?“ Ich: „Ja. Wie beide.“

King Hannah werden am Sonntagabend den stimmungsvollen Abschluss des OBS 27 bilden. Wir werden alle… seufzen. Mindestens.

Foto: Katie Silvester

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