Wenn man so will, ein klassischer Fall: Durch wundervolle Sets auf unserer Minibühne begeistert eine Band so sehr, dass man sie fast zwangsläufig im nächsten Jahr auf die Hauptbühne bucht. Der Sonntag des 27. OBS hielt strömenden Starkregen, Wind, Kälte und Schlamm bereit. Eine amtliche Unwetterwarnung und Gewitterzellen, die Beverungen zu erreichen drohten, ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Wirklicher Musikgenuss ist unter solcher Anspannung leider nur eingeschränkt möglich. Glücklicherweise klinkte ich mich aber für eine knappe halbe Stunde aus dem Nerventrubel aus, um mir Willow Parlo zu gönnen. Ich war begeistert, die Musik schaffte es mein inneres Gleichgewicht wieder herzustellen – anders kann ich das nicht ausdrücken.
Mit hinreißend stimmungsvollen Songs begeistert das Quartett um Sängerin Noemi Bunk, mit Understatement-Hymnen, die gleichzeitig nach kalifornischem Highway und skandinavischer Mittsommersonne klingen. Der Sound der Band ist erfüllt von träumerischer Leichtigkeit und Wehmut und erschafft eine horizontweite Atmosphäre. Bereits ihre selbstbetitelte Debut-EP klingt nach großem Abenteuer – gleichzeitig ist ihnen die melancholische Unbefangenheit junger Herzen zu eigen, die intuitiv aus Coming Of Age-Schmerz und früher Liebe Songs für ihre Generation schreiben: Sie erzählen von wachen und ohnmächtigen Momenten und dem Loslösen von Vergangenem. Zuletzt schlugen Willow Parlo musikalisch ein neues Kapitel auf, es geht in eine glasklare, direktere Richtung, ohne an Zartheit zu verlieren.
Sich von seiner gewohnten Welt entfremden, sie aber dennoch nicht gänzlich loszulassen – push und pull, bis sich die Taue von selber lösen, das ist der emotionale Kern von Willow Parlo. Sie schlagen eine Brücke zwischen Nostalgie und dem Drang, der Realität im Hier und Jetzt mutig ins Auge zu sehen. Der sanfte Gitarren-Indiepop zitiert gekonnt die Weiten der alternativen amerikanischen Rockmusik klassischer und jüngerer Couleur a là Boygenius, The Japanese House, Sam Fender oder War On Drugs, manchmal gar schimmert ein kleines bisschen Lucinda Williams durch oder die entspannte, fast leicht klingende Tiefe von CATT. Treffen Talent, Musikalität, Geschmack und Natürlichkeit zusammen, war das schon immer der Goldstandard. Und dem entsprechen Willow Parlo. Dabei liegt stets etwas derart Sehnsüchtiges in Bunks Stimme, das Tagträumer zu Nachteulen werden lässt, die fieberhaft wach aber gleichzeitig in Gedanken vertieft durch die Dunkelheit streifen, in der stetigen Hoffnung, die urbane Tristesse durchbrechen zu können. Dazu „eine Sensibilität für Melodien, die dazu einladen, sich in selbigen fallen zu lassen. Trotz der teils textlichen Schwere blitzt in ihren Songs immer wieder ein Hoffnungsschimmer durch, der vor allem durch die malerischen Soundgebilde in den Vordergrund gestellt wird.“ (pickymagazine.de)
Das wird wunderschön bei uns – auf der Hauptbühne.
(Foto: Nilo Yamandi)



